Eine einzige, ungeschnittene Einstellung zeigt ein Bild, das sich sehr verlangsamt bewegt: ein Boot als kleines und dunkles, figürliches Stillleben im azurblauen Meer. Die Bewegung der Kamera ist abgehackt, das Bild springt, denn das Handyvideo, das Regisseur Phillip Scheffner auf YouTube fand und hier auf anderthalb Stunden gestreckt hat, ist im Original lediglich dreieinhalb Minuten lang und wurde von Terry Diamond auf dem Kreuzfahrtschiff „Adventure of the Seas“ im Mittelmeer aufgenommen. Das erfahren wir allerdings wie vieles andere erst im Abspann. Klar sind lediglich sind die Koordinaten: 37°28.6'N und 0°3.8'E. Dort: ein Flüchtlingsboot mit 13 Insassen. Dazu hören wir auf der Ton-Ebene mehr als 20 Stimmen, die wir im Gegensatz zum Boot nicht verorten können, und die sich zu einem Mosaik der Informationen, Fährten, Mutmaßungen und Geschichten verdichten. Diese Puzzlestücke fügen sich allerdings zu keinem klaren Ganzen zusammen und sollen es auch nicht. "Havarie" ist eine experimentelle Auseinandersetzung mit massenmedialer Bildpolitik und den daraus resultierenden Blickwinkeln auf transatlantischen Fluchtbewegungen. Doch das wäre nur eine von vielen Lesarten. Ein Film, der Fragen aufwirft und sein Publikum warten lässt, und genau dadurch eine physische Erfahrbarkeit produziert, die das Filmische und das Dokumentarische transzendiert.
In Kooperation mit den Freunden der Kunsthalle Dominikanerkirche e.V.