Pionier des Lichtkinetismus
von Michael Bielicky Düsseldorf Juli 1997
Folgen wir der Aussage von Vilem Flusser, "alle Revolutionen sind technische
Revolutionen", dann sind auch alle Revolutionen in der Kunst eng mit
Revolutionen der Technik verbunden. Ob es der Eiserne Vorhang" oder einfach
Desinformation der Kunsthistoriker war, was es verhindert hat, daß Zdenek
Peánek einem breiteren Publikum vorgestellt werden konnte, soll
dahingestellt bleiben. Fest aber steht, daß er in den zwanziger und
dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts eine neue Kunstrichtung prägte,
die mit der Anwendung moderner Technologie eng verbunden war. Das tat er in
Forrn von Kunstwerken und in theoretischen Schriften.
Peáneks Oberbegriff für sein Schaffen heißt
"Kinetismus". So nennt er auch sein 1941 in Prag erschienenes Buch. Wie er zur
Einführung erwähnt, basiert dieses in jener Zeit einzigartige und
erste Buch über Kinetismus auf seinen unveröffentlichten Texten aus
den zwanziger Jahren. Peáneks Vision von der Ablösung der
traditionellen Disziplinen der bildenden Kunst durch die mit der technischen
Entwicklung eng verbundene Neue Kunst hat nach siebzig Jahren nichts an Kraft
und Aktualität verloren. Obwohl er seine Ausbildung in der klassischen
Bildhauerei bei Prof. Stursa an der Akademie der bildenden Künste Prag
absolviert, interessiert er sich für Architektur, für deren Beziehung
zur modernen Plastik, für die Einbeziehung des künstlichen Lichts und
schließlich für die "lichtkinetische Plastik". Peánek,
in den zwanziger Jahren von den Prinzipien des Konstruktivismus und Futurismus
beeinflußt, sieht in ihr die Erweiterung der räumlichen Dimensionen
um die der Zeit. Durch das "Atmen" des Lichts werden Zeit und Rhythmus in die
Plastik aufgenommen.
Die von Frank Popper realisierte Ausstellung "Lumiere et Mouvement", 1967 in
Paris, hat fast fünfzig Jahre später diese Kunstrichtung
salonfähig gemacht. Die damals eingeladenen Künstler sollten Arbeiten
präsentieren, die sich durch Bewegung und künstliches Licht
auszeichneten. So wie manche von ihnen benutzte Peánek das
Neonlicht, doch schon vierzig Jahre früher und als erster. Sein Interesse
galt nicht nur den materiellen, sondern auch den immateriellen lichtkinetischen
Skulpturen. Zu solchen zählte er zum Beispiel Feuerwerk, Flugabwehr,
Beleuchtung der Architektur, die Lichtfontäne und auch die Kombination
dieser Elemente. Weiter forschte er über die Beziehung des Lichts und der
Musik und realisierte zwischen 1922 und 1928 seine "Farbklaviere". Mit solchem
Instrument wurden 1928 in der Prager Smetana-Halle Klavierstücke von
Skriabin aufgeführt.
Nur wenige seiner Projekte konnte Peánek realisieren und noch
wenige rArbeiten sind erhalten geblieben. In seinem Buch sieht er im
Lichtkinetismus nicht nur eine radikale Wende in der bildenden Kunst in bezug
auf eine neue ästhetische Ausdrucksforrn, eine neue Technologie und die
Einbeziehung der Zeit in die Plastik, sondern auch eine neue soziale
Funktion.