Teil II: Ein Film über Peter Greenaway
Peter Greeneway
BetaSP, 60:00, col., BRD 1992. Regie & Realisation: Thomas Klinger, Herbert
Schwering. Produktion: INTERVALL Münster.
Peter Greenaway ist ein Essay über den gleichnamigen englischen
Maler und Regisseur, dessen Filme zum Aufregendsten gehören, was in Kinos
und im Fernsehen gezeigt wird. Das Neue am Konzept dieses Essays ist, daß
es nicht nur zeigen will, was Greenaway als Spielfilm-Regisseur gemacht hat,
sondern auch seine Wurzeln, die vor allem in der Malerei - man darf nicht
vergessen, daß Peter Greenaway ein ausgebildeter Maler ist - und in den
meisten kurzen Filmen liegen, die er machte, bevor er mit dem Kontrakt des
Zeichners berühmt wurde.
Man kann das gesamte filmische Werk Peter Greenaways in zwei Phasen einteilen:
Die erste war von 1965 bis 1988 und die zweite dauert von diesem Zeitpunkt bis
heute an. In seiner ersten Phase arbeitete Greenaway als Redakteur. Er hatte
kein Geld, also mußte er Filme ohne Schauspieler, ohne Kulissen, sogar
ohne die Hilfe anderer machen. Diese finanziellen Umstände ließen
zusammen mit seinen avantgardistischen Überlegungen hinsichtlich des
Filmens - die zu nicht-erzählenden Filmen führten - Filme wie
Revolution, Intervols, Windows usw. entstehen. Sehr
experimentelle Filme, dennoch zumindest
nicht leere Filme. Man kann schon die Grundhaltung "Geist" erkennen, die einen
Greenaway-Film eben zu einem Greenaway-Film macht. Hintergrund dieser Basis ist
sein unglaubliches Wissen über die europäische Kultur und
Politikgeschichte und seine Erfahrung, sein Auge als Maler. Keine Aufnahme in
einem Greenaway-Film ist zufällig entstanden und alle sind eingebunden in
eine feste und gut durchdachte Struktur. Jeder Film, den Greenaway gedreht hat,
beweist, daß das Kino die Überkunst sein kann, die Form der Kunst,
in der alle anderen Kunstformen ausgedrückt werden können.
Peter Greenaway will diese Wurzeln zeigen, indem zwei komplette Kurzfilme
präsentiert werden: Revolution, von ihm selbst 1968 produziert, ist
der älteste Greenaway-Film, der veröffentlicht wurde. Dies ist
eigentlich falsch, denn bis jetzt wurde er noch nicht veröffentlicht:
Revolution wurde nie im Fernsehen gesendet oder in öffentlichen
Kinos gezeigt. Revolution kommt direkt aus der Schatztruhe Peter
Greenaways. Man kann sagen, das es ein Prä-Greenaway ist, der die Art und
Weise zeigt, in der das visuelle Material zu den Akkorden des Beatles-Songs
"Revolution" bearbeitet wird. Musik als Struktur. Der zweite Kurzfilm, A
Walk Through Prospero's Library, ist nichts anderes als der neueste Film
Peter Greenaways. Er wurde 1992 im Dl-Standard produziert. Er zeigt in
vollendeter Weise, wie Peter Greenaway seine Sprache des Filmemachens
entwickelt hat. Wieder ist es der Soundtrack, der eine wichtige Rolle zu
übernehmen hat. Man kann also sehen, daß es eine kräftige und
direkte Linie zwischen seinem allerersten und dem im Augenblick jüngsten
Film gibt.
Das gesamte, in Peter Greenaway eingesetzte Material ist brandneu. Das
Filmteam von INTERVALL, Produktionsgesellschaft sowohl für das Essay als
auch für den Kurzfilm, war das einzige, das Peter Greenaway bei seiner
Arbeit in Amsterdam, Rotterdam und Düsseldorf folgen durfte.
In Amsterdam, im Januar dieses Jahres, haben wir gesehen, wie sein
Fernsehprojekt Darwin gedreht wurde. Aufregende Bilder von in einem
einzigen Moment mehr als 128 Statisten auf der Bühne und sehr schöne
Aufnahmen des außergewöhnlichen Szenenaufbaus werden kombiniert mit
Material, das zeigt, wie Peter Greenaway bei seinen Filmen Regie führt und
außerdem ein Licht darauf wirft, wie Filme gemacht werden.
In Rotterdam, im Februar dieses Jahres, haben wir die Ausstellung The
Physical Self gefilmt, die von Peter Greenaway geleitet wurde. Er stellte
nicht seine eigene Arbeit aus: es waren Artefakte, die er mit alltäglichen
Gebrauchsgegenständen - gefunden in dem sehr großen Museum
Boyman-van Beuningen - in einer nie zuvor gesehenen Weise kombinierte. Das
Grundthema war, wie der Titel es auch ausdrückt, Körperlichkeit. Mehr
als 1500 Personen pro Tag wollten sich diese avantgardistische Arbeit ansehen.
In Düsseldorf, im März dieses Jahres, konnten wir Peter Greenaway bei
der Arbeit in einem Videohaus, bei der Bearbeitung des Films A Walk Through
Prospero's Library beobachten. Was niemand vorher wußte war,
daß die meisten seiner Gemälde in jener Zeit entstanden sind!
Das Herzstück des Essays ist ein Seminar, das Peter Greenaway im Mai l991
in Münster leitete. Er folgte einer Einladung von INTERVALL und
erzählte drei Tage lang 30 jungen Filmemachern, Kritikern und
Anhängern fast alles über seine Welt des Films. Es gibt keine
vergleichbare Masse an Aussagen von ihm über sich. Außerdem machten
wir in Rotterdam, Amsterdam und Düsseldorf Interviews mit ihm, so
daß der Gesamtumfang der hervorragenden Informationen über Peter
Greenaway nicht übertroffen werden kann.
Die Struktur von Peter Greenaway ist wie folgt:
Neben den beiden Kurzfilmen wird es vier Blöcke geben: 1.) das Seminar, in
dem er über sein Kino spricht, von den allerersten Anfängen bis
jetzt, 2.) die Aufnahmen zu DARWIN, die die tatsächliche Art und Weise
zeigen, in der Peter Greenaway seine Filme dreht,
3. ) die Ausstellung The PhysicaL Self, die ein Licht auf die
außerfilmischen Aktivitäten Peter Greenaways wirft;.
Aktivitäten, die seine Filme bestimmen und die er dem Filmen vorzieht!,
4.) die Postproduktion von A Walk Through Prospero's Library ,
die zeigt, wie Greenaway mit modernster Fernsehtechnologie umgeht.