Präsentiert von Alex Kamionsky, Moskau
Bis vor kurzem war der Filmregisseur Vladimir Kobrin nur einem sehr kleinen
Kreis von Filmexperten bekannt. Seine Filme sprechen keine einfache Sprache,
keine, die jeder verstehen kann: es ist eine Sprache der intellektuellen
Intuition, des Blicks nach innen. Sein Name ist verbunden mit der Geburt einer
neuen Sprache in der Kinematographie.
Kobrin hält die Kinosprache für weiter und assoziativer als die
phonetische Sprache. Zumindest die Grafik- und Schnittstrukturen der
Kinosprache weisen überhaupt keine Parallele zur gesprochenen Sprache auf,
und sehr häufig ist es unmöglich, die grafische Sprache in die
praktische zu übersetzen. Er glaubt, daß Symbole ein besonderes
Alphabet der Menschheitskultur sind, das Konzepte einer universellen visuellen
Sprache trägt, d.h. es sucht grafische Aquivalente zu wissenschaftlichen
Inhalten. Es übersetzt wissenschaftliche Begriffe in die allgemeine
grafische Symbolsprache. Seine Filme sind interessant wegen ihrer
Mehrwertigkeit im Verständnis und bei der Interpretation, sie zählen
zu den "vielschichtigen" Arbeiten, haben viele erkennbare Bedeutungen und eine
charakteristische Logik.
Und plötzlich ist diese metaphorische Filmsprache des Regisseurs V. Kobrin
mit den mythologischen und symbolischen Bedeutungen sehr modern. Indem er sich
nicht an das Logikverständnis des Betrachters, sondern an die
Empfänglichkeit seiner Sinne wendet, legt er eine riesige assoziative
Gedanken- und Bilderschicht in seinem Unterbewußtsein frei. Die Filme
Vladimir Kobrins sind nach unserer Meinung ein neuer Schritt bei der Suche nach
gegenseitigem Verständnis von Künstlern, Wissenschaftlern und
Publikum.
Eine fantastische Realität ist sein Filmstil. Sowohl die Themen als auch
die Bilder seiner Filme scheinen in unabhängiger Form eine bestimmte,
konventionell-materielle Welt zu formen, die von ihren eigenen
Transformationsregeln gelenkt wird. So sagt der Regisseur V. Kobrin: "Wie die
Probleme der Welt nicht teilbar sind, so sind die Fragen der Ästhetik im
Grunde ähnlich unteilbar. Die Ästhetik der modernen Kunst wird nicht
so sehr durch die materielle Welt, Subjekte einer konkreten Zeit, bestimmt,
sondern durch grundlegend neue Denkmuster..."
Vladimir Kobrins Filme scheinen sich mit rein wissenschaftlichen Fragen zu
befassen, aber sie sind generell von tiefem Humanismus und hoher Moral
geprägt.
(Aus: "Stolitza", Moskau, Juni 1991)
Vladimir Kobrin wurde 1942 geboren. Im Jahre 1969graduierte er am
staatlichen Film-lnstitut
- Abteilung Kamera - und begann seine Arbeit am Filmausbildungs-lnstitut
CENTRNAUCHFILM. Während seiner Tätigkeit als Kameramann drehte er von
1969 bis 19771S kurze Dokamentar- und Lehrfilme. Von 1977 bis 1989 produzierte
er als Regisseur ungefähr 20 Sachfilme über verschiedene Themen. Den
aus 11 Teilen bestehenden Zyklus über Bio-Physik sieht er als seine
wichtigste Arbeit an (1982-1989 Die Bio-Physik und ihre Aufgaben). Das VGFR
(staatliches Filmkunst-lnstitut) und das staatliche Film- und Femseh-Zentrum
für Kinder und Jugendliche (Kobrin Schul-Studio) nehmen Kandidaten
für ein Studium im Bereich "Experimentelles Kino und ComputerTechnik" auf.
Aufgabe des von Vladimir Kobrin geleiteten Schul-Studios ist die Ausbildung von
Filmregisseuren mit einem Gespür für die visuelle Natur der
Filmkunst.
Teil I / Part I
Biophysics Of Fermentative Processes
35mm, 17:00, col., 1987. Regie: V. Kobrin. Script: V. Kobrin, G. Reznichenko.
Kamera: V. lvanov, M. Kamionsky.
Versuch, universelle Gesetze von Weiterentwicklung und Interaktion der
lebendigen Welt herauszufinden, vom Molekül bis zu sozialen Gefügen.
Biopotenziale
35mm, 27:00, col., 1988. Regie: V. Kobrin.
Script: V. Rohrin, G. Reznichenho. Kamera: V. Ivanov, M. Kamionshy.
Versuch einer philosophischen Betrachtung des urzeitlichen Problems der
Dialektik von Gut und Böse im Rahmen einiger Definitionen der biologischen
Physik.
Present Continous
35mm, 25:00, col., 1989. Regie: V. Kobrin. Script: L. Rudin. Kamera: V. lvanov,
M. Kamionsky. Darsteller: V. 8uzkov.
Anlaß für diesen Film ist die Hypothese des Astrophysikers Kozyrev
über die physikalische Beschaffenheit von Zeit.
Teil II / Part II
Selforganizstion Of Biological Systems
35mm, 17:00, col., 1989. Regie: V. Kobrin. Script: V. Kobrin. Kamera: V.
Ivanov, M. Kamionsky.
Self-organization ist der letzte in einer Reihe von Lehrfilmen über
Bio-Physik. Der Film ist als ein "Fließen manisch-materiellen
Bewußtseins" konzipiert und informiert über moderne synergetische
Begriffsinhalte.
TYT 1991
35mm, 16:00, col., 1991. Regie & Script: V. Kobrin. Kamera: V. Ivanov, M.
Kamionsky.
Dieser Film ist ein psychophilosophisches Pamphlet im Genre des "Rituellen
Tanzes" auf den Trümmern einer technokratischen Zivilisation.
Homo Paradoxum III
35mm, 26:00, col., 1991. Regie & Script: V. Kobrin. Kamera: V. Ivanov, M.
Kamionsky.
Szenerie des Films ist der abgeschlossen Raum des Lebens mit
manisch-zyklischer
Wiederholung seiner biosozialen Phasen, wozu auch der Raum des
Bewußtseins, der Raum unserer Vorstellungswelt gehören.
Students Sketches
35mm, 10:00, col., 1991.
Einige Arbeiten von Studenten des Kobrin-Schulstudios.