(EMAF96)
EUROPEAN MEDIA ART FESTIVAL · 11-15 SEPTEMBER 1996 · OSNABRÜCK

Terrain 01 - Ein OTHERSPACE Projekt

EMAF 1993


Ulrike Gabriel, Deutschland 1993

Eine vermeintlich triviale Einsicht kristallisiert sich mehr und mehr zur zentralen Erkenntnis unserer wissenschaftlichen und philosophischen Suche nach einem konsistenten Weltbild: Wir sind Teil dieser Welt.

Begonnen hat die Destruktion unseres exzeptionellen externen Standpunkts zum Kosmos am Beginn des Jahrhunderts mit der Relativitätstheorie, welche den absoluten Raum und die absolute Zeit der Newton'schen Physik als unnötig ideale Basis der klassischen Mechanik entlarvte.

Den zweiten Schlag setzte die Formulierung der Quantenmechanik in den 20er und 30er Jahren. Im Gültigkeitsbereich der Quantentheorie gibt es keine externe Beobachterposition. Der Zustand quantenmechanischer Objekte ist beobachterabhängig. Physikalische Erkenntnisse aus dem Mikrokosmos begründeten die Idee eines holistischen Weltbilds.

Die Chaostheorie als vorläufig letzte naturwissenschaftliche Revolution formuliert mit der "sensiblen Abhängigkeit von den Anfangsbedingungen" die vollständige Vernetzung aller dynamischen Systeme. Selbst noch so kleine Ursachen können unter nichtlinearer Dynamik systembeherrschende Wirkung haben. Im Extrem wird damit jede Art von Externalität unmöglich gemacht.

Kunstzeugwelten

Neueste Ergebnisse der Gehirnforschung scheinen zu bestätigen, daß unsere Welterkenntnis bestimmt wird durch die Art und Weise, wie wir unser eigenes, in Raum und Zeit evolvierendes Abbild der Umwelt interpretieren.

Die junge Idee der Endophysik versucht eine Vereinheitlichung zwischen biologischen und physikalischen Interpretationen, indem sie eine vom Gehirn des Beobachters abhängige Physik postuliert. Jedoch scheint damit alle Erkenntnis an einem fundamentalen Dilemma zu scheitern. Wir können unmöglich das Ganze betrachten, da wir ein Teil des Ganzen sind. Um die Möglichkeiten des Verstehens unserer Welt auszuloten, müssen wir uns "Kunst"-Welten erschaffen, zu denen wir sowohl extern wie intern stehen. TERRAIN 01 erschafft virtuelle "Kunstzeugwelten". Aus Lichtenergie, Umweltplattform und einfachen Lebe-wesen materialisiert TERRAIN 01 "virtual realities".


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Terrain 01

TERRAIN 01 ist eine interaktive "artificial life"-Installation, eine nicht-autonome, weil von externer Lichtenergie abhängige Welt autonomer kybernetischer Vehikel. Das ebene runde TERRAIN 01 bezeichnet ihren Kosmos und begrenzt gleichzeitig ihren Horizont. Der innere, unbewußte Zustand eines externen Betrachters, sein Gehirnwellenmuster, steuert den globalen Zustand einer Roboterkolonie, Synonym für die unauflösbare Vernetzung der Welt der Gedanken mit der Welt der Materie.

Bottom-up Design

TERRAIN 01 bezeichnet funktionelle Minimalform. Die ideal ovalen Vehikel sind solargetrieben und somit energetisch autonom. Ihre Welt ist eine von außen mit Licht bestrahlte ebene kreisrunde Scheibe. Licht wurde bewußt gewählt als natürlichste Quelle einer lokal autonomen Energieversorgung. Die Roboter besitzen einfachste Sensor-"Sinnesorgane", mit deren Hilfe sie sich untereinander wahrnehmen und innerhalb TERRAIN 01 berührungsfrei bewegen können.

Neben dieser Basisausstattung der Roboter zur Freien Bewegung innerhalb der Kolonie existiert ein zweites sensorielles System zur Detektion und Verarbeitung globaler Lichtintensitätsveränderungen. Diese sind der einzige externe Parameter in TERRAIN 01. Die globale Lichtverteilung ändert sich abhängig der sensoriell erfaßten Gehirnaktivität eines externen Beobachters. Außen- und Innenwelt sind einfach reziprok gekoppelt, je chaotischer der Zustand des Beobachters, desto ruhiger die Roboterkolonie.

Top-down Observation

Bei TERRAIN 01 bewegt sich eine Kolonie autonomer Wesen in einer kreisrunden Welt. Aufgrund systemimmanenter nichtlinearer Wechselwirkungen kommt es zur komplexen Strukturbildung bei dem andauernden Anpassungsprozeß der Individuen an die externen Umwelteinflüsse. Die "lebendigen" Bewegungsmuster der permanent aktiven Lebe-Wesen verführen den Beobachter zu phantasievollen psychologischen Interpretationen ihres Verhaltens. Die Ordnungszustände des dynamischen Systems mit periodischer und chaotischer Dynamik zwischen den Extremen der Ruhe und einer vollkommen zufälligen Bewegung bezeichnen das Paradigma der Komplexität: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.

(Michael Klein, April 1993)

Produziert am Städelschule Institut für Neue Medien: Mit Unterstützung der Steinerstiftung München. Lichtmaschine: Jens Heise. Sensorik: Bob O'Kane. Trichanik: Siegfried Albrecht. Sponsor: Deutsche Aerospace, TEMEC, Steiner Stiftung München.



© 1996 Aug 12 EMAF / emaf@bionic.zerberus.de


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