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EUROPEAN MEDIA ART FESTIVAL · 11-15 SEPTEMBER 1996 · OSNABRÜCK

The Mind Machine of Dr. Forsythe

EMAF 1994

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Installation

Anne Quirynen, Peter Missotten und An-Marie Lambrechts

Das Projekt wurde mit neun Tänzern des Neuen Balletts Frankfurt in einem gläsernen Filmset verwirklicht, parallel zu den Proben von William Forsythes Produktion Aliena(c)tion. Im Bearbeitungsprozeß haben sich zwischen den beiden eigenständigen Projekten implizite Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen entwickelt.

Ana Catalina Roman, Jone San Martin, Dana Caspersen, Eda Holmes, Antony Rizzi, Thomas MacManus, Stephen Galloway, David Kern und Briad Reeder fuhren hin und her zwischen den Proben im Tanzstudio und dem Filmset. Dort hinterließen sie die Abdrücke ihrer Körper, nachgezeichnet und nachgeschrieben bei jeder neuen Bewegung. Aufzeichnungen - Glyphen auf Glas.

Ein paar lange Gespräche mit William Forsythe - dem Choreographen des Frankfurter Balletts - über seine neue Tanzproduktion brachten das ganze Projekt in Gang. Dann gab es eine gemeinsame Faszination für das Versetzen, für enterotisierte Körper und aufgelöste Bewegung, die Auferlegung künstlicher Rahmen und Grenzen für den Tänzer.

Von diesem Punkt an arbeiteten wir gleichzeitig, doch unabhängig von der Vorbereitung der neuen Tanzproduktion. Mit unserem Plan einer Videoinstallation im Kopf suchten wir nach setups, die neue Bewegungsmodelle aus dem Tänzer herausholen. Wir suchten neue Möglichkeiten, diese Bewegungen zu beobachten.

In einem ersten Versuch baten wir die Tänzer, bei ihrer Orientierung von einem vollständig abgedunkelten Raum auszugehen. Wir filmten mit einer mobilen Infrarot-Kamera. Die Kamera - die für die Tänzer unsichtbar blieb - schaffte einer verwirrende und unklare, auch lustige Beziehung zwischen dem Tänzer und dem Betrachter/ der Kamera. Sehr schnell wurde klar, daß die Tänzer sich nach dem letzten Lichtstrahl richteten, den sie sehen können, bevor der Raum verdunkelt wurde. Sie nahmen das Licht auf und benutzten die sich langsam auflösenden Restbilder als Grundmuster ihrer Bewegungen. Später führten wir künstliche Restbilder herbei: wir zeigten ihnen Projektionen von Schriftbildern, Zeichnungen, Radierungen... Wir steigerten auch die Arbeit an der Orientierung auf die unsichtbare Kamera.

Dieser Verlauf erwies sich aufgrund des perfekten Orientierungssinns der Tänzer als Sackgasse; sie fühlten sich in der Dunkelheit so wohl wie Fische im Wasser. Der Raum als solcher verschwand, und der einzelne Tänzer zog sich in sich selbst zurück, eingeschlossen in der Perfektion seiner eigenen Bewegungsmuster.

Es wurde ein neuer szenischer Hintergrund benötigt; das Restbild und die Eingrenzung des Rahmen blieben der Ausgangspunkt. Eine Glasscheibe wurde zum Arbeitsbereich der Tänzer. Wir vereinfachten die Rolle der Kamera so weit, bis sie zu einem fast wissenschaftlichen Aufzeichnungsgerät wurde. Wie ein Mikroskop registriert sie geduldig jede Bewegung, jede Spur, jeden Kontaktpunkt Körper/Glas. Der Kamerarahmen war - abgesehen von der Gravitation - die einzige absolute Grenze für den Tänzer, der konsequent auf seine physische Identität zurückgeworfen wurde.

Wir erweiterten den Begriff Restbild; er umschließt dann Rest, Rückstand, Nachbild, Spur, Schrift. Im Bildrahmen hinterlassen die Bewegungen der Tänzer Spuren, Flecken, Kratzer, die ihrerseits wiederum neue Bewegungen entstehen lassen.

Als neue Bewegungsmaterial-Oberflächen, offenbart die Kamera todbringende Qualitäten: das separate Kameraauge friert Bewegungen ein, es fossiliert den Tänzer, bis der zur biologischen Kuriosität wird.

Parallel zum Drehen des Filmes arbeiteten die Tänzer an dem neuen Stück Aliena(c)tion. Bewegungsmaterial aus diesen Proben wird vor der Kamera neu- und umgekehrt bearbeitet.

Die Videoinstallation zeichnet die Spuren all dieser Bewegungen auf. Die nachgezeichneten Strecken sind nicht festgelegt. Der Betrachter läßt sich dazu verführen, den vielen Nebenspuren und versteckten Assoziationen zu folgen. Wir werden uns unseren Weg durch diesen Dschungel bahnen. Den Dschungel des Mind of Dr. Forsythe.

Auf diese Weise lebt unsere Arbeit von einer Interaktion zwischen den Beitrag von Forsythes Tänzern, den Impulsen, die William Forsythe als Choreographer gibt, und den von uns geschaffenen spezifischen Situationen.



© 1996 Aug 12 EMAF / emaf@bionic.zerberus.de


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