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EUROPEAN MEDIA ART FESTIVAL · 11-15 SEPTEMBER 1996 · OSNABRÜCK

The Residents Freak Show

EMAF 1994

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Interview von Steven Gallagher mit Homer Flynn

Während ihrer gesamten zwanzigjährigen Karriere haben die Residents , eine zurückgezogen lebende Band aus San Francisco, ihre Identität sorgfältig gehütet; sie hatten schon am Anfang beschlossen, daß persönliche Details für die Arbeit der Gruppe und ihre Förderung irrelevant sind (der Name der Band selbst beruht auf einer Inspiration durch eine banale Postwurfsendung, die ihnen ins Haus flatterte und einfach an den Resident , den Einwohner, adressiert war). Mit ihren Auftritten in einer Kollektion von surrealen Kostümen - darunter auch ihr Markenzeichen, die übergroßen Augenball-Köpfe - haben sie nichtsdestoweniger eine charakteristische Arbeitspalette in einem weit gesteckten Medienrahmen geschaffen, und sie sind als Mit- Erfinder des Musikvideo-Formats und als Pioniere der alternativen Musik und Performancekunst anerkannt. 1994 veröffentlichten die Residents ihre erste CD-ROM über die Voyager Company und sie ist, formgetreu, sowohl bahnbrechend als auch von Anfang bis Ende charakteristisch.

Die CD-ROM The Residents Freak Show, die Motive zur Grundlage hat, die in einem eponymischen Album und einem graphischen Roman entwickelt wurden, enthält dreidimensionale computeranimierte Freaks , die in Zusammenarbeit mit dem Programmierer Jim Ludtke geschaffen. Mit einem Punkt und einem Click kann man Wanda, The Worm Woman und eine Menge anderer Circus- Freaks dazu bringen, unter dem großen Zelt aufzutreten oder hinter die Bühne zu gehen und in ihren persönlichen Habseligkeiten herumwühlen (Die Residents gehören auch zu den auftretenden Freaks ; ein Blick in ihre Vorschau zeigt eine Auswahl ihrer umfangreichen audio-visuellen Produktion).

Die Residents, die zur Zeit an einer CD-ROM für Inscape arbeiten (ein neues Multimedia-Label von Warner Music und HBO), sprachen mit Stephen Gallagher vom Filmmaker über ihren Co-Manager Homer Flynn.

Filmmaker: Was ist die Entstehungsgeschichte des Freak-Show -Projekts?

Homer Flynn: Das Interesse der Residents an Freak-Shows kommt aus zwei Quellen: Die direkteste Inspiration war die Tourneen. Die Residents hatten soeben die CUBE-E -Tour beendet (1990), als sie damit begannen, das Freak-Show -Album aufzunehmen und daran zu schreiben; nach der Tour fühlten sie sich und sahen sich als Freaks, deutlicher als je zuvor.

Die zweite Inspiration war die Erinnerung an echte Freak-Shows auf Jahrmärkten in Louisiana und Texas, die sie in den fünfziger und sechziger Jahren gesehen hatten. Viele der historischen Freaks in der Pickled-Punk -Sektion der CD-ROM - Grace McDaniels, the Frau mit dem Maultiergesicht und Grady Styles, der Hummer-Junge zum Beispiel - wurden gesehen und von einigen der Residents -Mitglieder nie vergessen. Es war ein Thema, mit dem sie sich schon lange Zeit vorher beschäftigen wollten, und das Timing, bezogen auf die Tour, und die Tatsache, daß der Stoff politisch überhaupt nicht opportun war, stellten einen Reiz für sie dar.

Filmmaker: Was zog die Residents denn zum CD-ROM Format?

Flynn: Die Residents haben
ihren ersten CD-ROM-Player vor ungefähr vier oder fünf Jahren
gekauft. Anfangs wurde er als eine Möglichkeit genutzt, ohne riesigen und teuren Speicherbedarf ein großes Archiv von Soundmustern aufzubauen. Sie waren dann fasziniert von den Möglichkeiten, die sie in dem Medium sahen.

Durch Freunde, die sie im Computerbereich hatten, wurden sie sogar noch weiter in diese Richtung getrieben - besonders von Ty Roberts, dem Gründer von ION, dem Multimedia-Label, das gerade David Bowies CD-ROM Jump veröffentlicht hat.

Filmmaker: Wo lagen die Grenzen dieses neuen Formates, oder, anders herum, was sahen die Residents so Befreiendes daran?

Flynn: Die wichtigste Einschränkung, mit der sie sich beschäftigen mußten, war der Ton. Da ein hochwertiger CD-Sound die volle Bandbreite einer Disk einnimmt, mußte die Musik in einer geringeren Rate aufgezeichnet werden (was zu niedrigerer Klangtreue führte), um zu erreichen, daß die Animation zeitgleich mit dem Ton ablief. Außerdem ist der Informationsfluß vom CD-ROM-Player zum Computer noch immer so langsam, daß eine Menge der Animation in einem kleinen Fenster und nicht als Vollbild gemacht werden mußte. Das Befreiende daran war, daß die Residents meinten, daß der visuelle Aspekt ihrer Vorstellungen vollständig sondiert und zum erstenmal realisiert werden konnte. Sie meinten, der Kompromiß würde sich bestimmt lohnen.

Filmmaker: Um was geht es in dem neuen CD-ROM-Projekt?

Flynn: A Bad Day on the Midway ist eine Erweiterung der Welt der Freak Show. Es wird Spiele, Fahrten, Exponate und ein Dutzend brandneue und hoch-exzentrische Charaktere enthalten. Die Residents haben es als eine unheilige Vereinigung von Twin Peaks und SimCity in einer Karnevalsumgebung bezeichnet.

Filmmaker: Worin wird es sich von der Freak-Show-CD-ROM unterscheiden?

Flynn: Es wird von Anfang an als interaktives Projekt geschrieben. Freak Show war im Grunde von einer Audio-CD genommen worden und folgt noch derselben Grundstruktur wie eine Compact-Disk; es ist eine Reihe linearer Geschehnisse, die durch die folgenden interaktiven Wege ausgelöst werden können. Bei der neuen Disk werden die vom Anwender getroffenen Entscheidungen verschiedene Ereignisse oder Ergebnisse beeinflussen, die erst später in der CD-ROM folgen. Technisch gesehen wird sie in einer brandneuen Programmierumgebung geschrieben, die Dinge möglich macht, die bei der Schaffung der Freak Show noch nicht einmal vorstellbar waren.

(Mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift Filmmaker , New York.)



© 1996 Aug 12 EMAF / emaf@bionic.zerberus.de


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