Filme
Blonde Cobra
16mm, b/w & col., 28:00, USA 1959-63, Sound-film: Ken Jacobs, Images
gathered by Bob Fleischner, Performer: Jack Smith
Jack sagt, daß ich den Film zu schwer gemacht habe. Es war seine und Bobs
Absicht, eine leichte Monster-Komödie zu schaffen. Zwei Komödien,
eigentlich zwei getrennte Geschichten, die gleichzeitig gedreht wurden, bis es
- nachdem Jacks Katze eine Kerze umgeworfen hatte - einen Streit darüber
gab, wer die in einem Feuer zerstörten Rohfilme bezahlen sollte. Jack
behauptete, es sei höhere Gewalt gewesen. Im Winter `59 zeigte mir der
deprimierte Bob das Filmmaterial. Da ich keine Ahnung von den
ursprünglichen Entwürfen für die Geschichten hatte, konnte ich
mir das Material nicht als exquisite Fragmente eines Fehlschlags, zweier
Fehlschläge, sondern als Bestandteile einer neuen Einheit anschauen. Bob
gab mir das Filmmaterial, und damit auch die Freiheit, es nach meinen
Vorstellungen zu entwickeln.
Ich denke, es war gegen Ende 1960, daß Jack und ich unsere
persönlichen Animositäten ignorierten, lange genug, um seine Texte
und Songs für den Soundtrack aufzunehmen. Die Sätze, die er
wiederholt in das Aufnahmegerät sprach, waren alles solche, die ich schon
einmal von ihm gehört hatte; diemeisten waren seine Lieblingssätze,
immer und immer wieder, seine Lektionen.
Ich spielte ihm eine Auswahl aus meiner 78er Kollektion vor, Musik aus den 20er
und 30er Jahren, manchmal nur den Anfang einer Aufnahme, und wenn er es
wünschte, wurde die Aufnahme noch einmal gestartet und umgehend
aufgezeichnet. Ich glaube nicht, daß irgendetwas zweimal aufgenommen
wurde. Die vorgestellten Wunder an Improvisation und die fehlende Klarheit in
seinem Werk beruhen auf der sehr zweitklassigen - drittklassigen,
viertklassigen - Ausstattung, die wir benutzten. Ich spielte Harfe für
den Monolog der Madame Nescience (=Unwissenheit). Von Jack kam die arabische
Musik.
Ein geringer Teil meines eigenen, früheren Materials wurde in den Film
geschnitten, die kurze Farbsequenz Ertrinken in Unwissenheit ,
ungefähr am Anfang. Blonde Cobra ist eine ziellose Erzählung -
nein, eigentlich keine Erzählung, es ist nur in die Länge gezogen,
weil es so sich besser darstellen läßt. Es ist ein Blick auf
explodierendes Leben, auf einen einfallsreichen Mann, der unter den einst
modischen Lower-East-Side-Entbehrungen leidet und voll mit dem amerikanischen
Ekel der 30er, 40er und 50er Jahre ist. Dumm, voller
Selbstmitleid,schuldbeladen und doch in der Situation stilvoll triumphierend -
auf einer Ebene - , weil er unglaublich begabt und voller Mut ist und
weiß, daß ein Zustand der Demütigung dazu dienen kann, seinen
Charakter deutlich sichtbar herauszustellen. Er macht weiter, ohne das Wesen
seiner Präsenz zu verleugnen. Er tut alles, um von uns verurteilt zu
werden; er untersucht unsere Liebe auf ihre Grenzen, indem er uns in eine
absurde moralische Haltung (ver)führt, um uns dann mit einem
königlichen "Haut ab!" zu entlassen.
Little Stabs At Happiness
16mm, col., 18:00, USA 1963 Realisation: Ken Jacobs Featuring Jack Smith
Down und von Person zu Person, wird der Film hier aus der
Professionalität zurückgeholt. Das Material wurde so, wie es aus der
Kamerakam, hineingeschnitten, mit ungekürzten Momenten der Peinlichkeit.
100-Fuß-Rollen wurden benutzt, die zeitliche Koordinierung paßt zur
Musik auf den alten 78ern. Ich interessierte mich für Unmittelbarkeit, ein
Gefühl der Ausgeglichenheit und eine Kunst, in der Leiden gesehen, aber
nicht dramatisch trivialisiert wird. Wunderlich war unsere Errungenschaft. Und
aus dem Takt
geraten.(Ken Jacobs)
Chumlum
16mm, col., 28:00, USA 1964 Realisation: Ron Rice. Mit Jack Smith, Beverly
Grant, Mario Montez, Gerard Malanga. Musik: Angus McLise Sound: Tony Conrad
"Ein Traumland in Barock und Rokoko, Leute (Schauspieler, Visionen, Menschen),
die sich in die Räume, Köpfe und Körper der anderen hinein- und
herausweben. Einer der besten und einflußreichsten Underground-Filme."
(Peter Gidal)
Flaming Creatures
16mm, b/w, 45:00, USA 1963. Realisation: Jack Smith
Flaming Creatures ist ein seltenes modernes Kunstwerk über Lust und
Unschuld. Ohne jeden Zweifel ist diese Unschuld aus perversen - nach der
allgemeinen Auslegung dieses Begriffes - und dekadenten,
zumindest jedoch theatralischen und künstlichen Themen zusammengesetzt.
Aber ich glaube, daß der Film eben deshalb Schönheit und
Modernität erreicht. Flaming Creatures ist ein wunderschönes
Exemplar dessen, was in dem Genre mit Pop-Art bezeichnet wird. Der Film von
Smith hat die Lässigkeit, die
Willkür und die Zügellosigkeit der Pop-Art, ihren Erfindungsreichtumg
und ihre extreme moralische Freiheit.
Eine der großen Qualitäten der Pop-Art ist die Art und Weise, mit
der sie alte Imperative hinsichtlich der einzunehmenden Einstellung
gegenüber dem Sujet einer Sache überwunden hat. Die besten Arbeiten
innerhalb der Pop-Art legen nahe, die alten Einstellungen des ständigen
Ablehnens oder Zustimmens dessen, was in der Kunst dargestellt wird, aufzugeben
- und das gilt im weiteren Sinne auch für das, was wir im Leben erfahren.
Die Pop-Art fördert neue und wunderbare Verhaltensmuster, die zuvor
widersprüchlich schienen. Flaming Creatures ist auch eine brillante
Parodie auf die Sexualität an sich, gleichzeitig zeigt er die Lyrik
erotischer Triebe. Visuell ist er voller Widersprüche. Sorgfältig
ausgearbeitete visuelle Effekte (Strukturdekor, herabfallende Blumen und
Gemälde ) werden ungeordnet in ganz offensichtlich improvisierte Szenen
eingefügt, in denen typisch feminine und andere magere behaarte
Körper zu Boden sinken, tanzen und sich lieben.
(Susan Sontag, 1964)