(EMAF96)
EUROPEAN MEDIA ART FESTIVAL · 11-15 SEPTEMBER 1996 · OSNABRÜCK

Jack Smith

EMAF 1994

(63 KB-JPG)

(40 KB-JPG)


Filme

Blonde Cobra

16mm, b/w & col., 28:00, USA 1959-63, Sound-film: Ken Jacobs, Images gathered by Bob Fleischner, Performer: Jack Smith

Jack sagt, daß ich den Film zu schwer gemacht habe. Es war seine und Bobs Absicht, eine leichte Monster-Komödie zu schaffen. Zwei Komödien, eigentlich zwei getrennte Geschichten, die gleichzeitig gedreht wurden, bis es - nachdem Jacks Katze eine Kerze umgeworfen hatte - einen Streit darüber gab, wer die in einem Feuer zerstörten Rohfilme bezahlen sollte. Jack behauptete, es sei höhere Gewalt gewesen. Im Winter `59 zeigte mir der deprimierte Bob das Filmmaterial. Da ich keine Ahnung von den ursprünglichen Entwürfen für die Geschichten hatte, konnte ich mir das Material nicht als exquisite Fragmente eines Fehlschlags, zweier Fehlschläge, sondern als Bestandteile einer neuen Einheit anschauen. Bob gab mir das Filmmaterial, und damit auch die Freiheit, es nach meinen Vorstellungen zu entwickeln.

Ich denke, es war gegen Ende 1960, daß Jack und ich unsere persönlichen Animositäten ignorierten, lange genug, um seine Texte und Songs für den Soundtrack aufzunehmen. Die Sätze, die er wiederholt in das Aufnahmegerät sprach, waren alles solche, die ich schon einmal von ihm gehört hatte; diemeisten waren seine Lieblingssätze, immer und immer wieder, seine Lektionen.

Ich spielte ihm eine Auswahl aus meiner 78er Kollektion vor, Musik aus den 20er und 30er Jahren, manchmal nur den Anfang einer Aufnahme, und wenn er es wünschte, wurde die Aufnahme noch einmal gestartet und umgehend aufgezeichnet. Ich glaube nicht, daß irgendetwas zweimal aufgenommen wurde. Die vorgestellten Wunder an Improvisation und die fehlende Klarheit in seinem Werk beruhen auf der sehr zweitklassigen - drittklassigen, viertklassigen - Ausstattung, die wir benutzten. Ich spielte Harfe für den Monolog der Madame Nescience (=Unwissenheit). Von Jack kam die arabische Musik.

Ein geringer Teil meines eigenen, früheren Materials wurde in den Film geschnitten, die kurze Farbsequenz Ertrinken in Unwissenheit , ungefähr am Anfang. Blonde Cobra ist eine ziellose Erzählung - nein, eigentlich keine Erzählung, es ist nur in die Länge gezogen, weil es so sich besser darstellen läßt. Es ist ein Blick auf explodierendes Leben, auf einen einfallsreichen Mann, der unter den einst modischen Lower-East-Side-Entbehrungen leidet und voll mit dem amerikanischen Ekel der 30er, 40er und 50er Jahre ist. Dumm, voller Selbstmitleid,schuldbeladen und doch in der Situation stilvoll triumphierend - auf einer Ebene - , weil er unglaublich begabt und voller Mut ist und weiß, daß ein Zustand der Demütigung dazu dienen kann, seinen Charakter deutlich sichtbar herauszustellen. Er macht weiter, ohne das Wesen seiner Präsenz zu verleugnen. Er tut alles, um von uns verurteilt zu werden; er untersucht unsere Liebe auf ihre Grenzen, indem er uns in eine absurde moralische Haltung (ver)führt, um uns dann mit einem königlichen "Haut ab!" zu entlassen.

Little Stabs At Happiness

16mm, col., 18:00, USA 1963 Realisation: Ken Jacobs Featuring Jack Smith

Down und von Person zu Person, wird der Film hier aus der Professionalität zurückgeholt. Das Material wurde so, wie es aus der Kamerakam, hineingeschnitten, mit ungekürzten Momenten der Peinlichkeit.

100-Fuß-Rollen wurden benutzt, die zeitliche Koordinierung paßt zur Musik auf den alten 78ern. Ich interessierte mich für Unmittelbarkeit, ein Gefühl der Ausgeglichenheit und eine Kunst, in der Leiden gesehen, aber nicht dramatisch trivialisiert wird. Wunderlich war unsere Errungenschaft. Und aus dem Takt geraten.(Ken Jacobs)

Chumlum

16mm, col., 28:00, USA 1964 Realisation: Ron Rice. Mit Jack Smith, Beverly Grant, Mario Montez, Gerard Malanga. Musik: Angus McLise Sound: Tony Conrad

"Ein Traumland in Barock und Rokoko, Leute (Schauspieler, Visionen, Menschen), die sich in die Räume, Köpfe und Körper der anderen hinein- und herausweben. Einer der besten und einflußreichsten Underground-Filme." (Peter Gidal)

Flaming Creatures

16mm, b/w, 45:00, USA 1963. Realisation: Jack Smith

Flaming Creatures ist ein seltenes modernes Kunstwerk über Lust und Unschuld. Ohne jeden Zweifel ist diese Unschuld aus perversen - nach der allgemeinen Auslegung dieses Begriffes - und dekadenten, zumindest jedoch theatralischen und künstlichen Themen zusammengesetzt. Aber ich glaube, daß der Film eben deshalb Schönheit und Modernität erreicht. Flaming Creatures ist ein wunderschönes Exemplar dessen, was in dem Genre mit Pop-Art bezeichnet wird. Der Film von Smith hat die Lässigkeit, die Willkür und die Zügellosigkeit der Pop-Art, ihren Erfindungsreichtumg und ihre extreme moralische Freiheit.

Eine der großen Qualitäten der Pop-Art ist die Art und Weise, mit der sie alte Imperative hinsichtlich der einzunehmenden Einstellung gegenüber dem Sujet einer Sache überwunden hat. Die besten Arbeiten innerhalb der Pop-Art legen nahe, die alten Einstellungen des ständigen Ablehnens oder Zustimmens dessen, was in der Kunst dargestellt wird, aufzugeben - und das gilt im weiteren Sinne auch für das, was wir im Leben erfahren. Die Pop-Art fördert neue und wunderbare Verhaltensmuster, die zuvor widersprüchlich schienen. Flaming Creatures ist auch eine brillante Parodie auf die Sexualität an sich, gleichzeitig zeigt er die Lyrik erotischer Triebe. Visuell ist er voller Widersprüche. Sorgfältig ausgearbeitete visuelle Effekte (Strukturdekor, herabfallende Blumen und Gemälde ) werden ungeordnet in ganz offensichtlich improvisierte Szenen eingefügt, in denen typisch feminine und andere magere behaarte Körper zu Boden sinken, tanzen und sich lieben.

(Susan Sontag, 1964)



© 1996 Aug 12 EMAF / emaf@bionic.zerberus.de


[Homepage] - [Haupt-Menü] - [Archiv] - [1994] - [Diese Seite]