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EUROPEAN MEDIA ART TOUR · 1997 · OSNABRÜCK

Mike Hoolboom

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Letters From Home


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In diesem Film, der mit einer Rede von Vito Russo beginnt, erhält ein Chor von Sprechern die Anweisung, sich über AIDS, Liebe und Tod auszulassen. Diese von einer Vielfalt von formalen Verfahren getriebene Serie von Miniportraits ist großzügig aufpoliert mit Auszügen aus Found-Footage, mit handentwickelten Dilemmata, Home-Movies, Super-8-Psychodramen, überspannten Phantasmen, intergalaktischen Kriegen und einem heißen Kuß in einer kalten Dusche.

Nachdem ich all diese Jahre Filme angesehen habe, sind sogar meine Träume von Titelsequenzen und Flashbacks erfüllt. Und so sah ich also vor sechs Monaten, als ich dachte, daß ich sterben würde, ständig ein Festzelt vor mir, auf dem die Worte "Die Show schließt, letztes Wochenende" aufblinkten. Und eines Tages hörten die Worte auf und mir ging es besser. Es ist lustig, denn ich fühlte mich nicht besonders erleichtert oder ekstatisch; es war vor allem enttäuschend, denn es bedeutete, weiterzumachen, und es war eben einfacher, das nicht zu tun. Ich begann, an die 800 Frühstücke zu denken, die auf mich warteten, oder die neun Monate im Leben, die du mit Zähneputzen verbringst, oder daran, wie viele Male du mit einem großen blöden Grinsen auf dem Gesicht bei einer Unterhaltung würdest dastehen müssen, weil all die Worte, die du einst kanntest, für den Winter nach Süden geflogen sind.

Doch vor zwei Wochen passierte es dann wieder, der trockene Husten und das Schwitzen in der Nacht und Trevor, dein Arzt, der sagt: "Ich bin kein Unheilsprophet, oder?", wenn er dich zum Röntgen des Brustkorbes schickt, wobei sich dann zeigen wird, daß du eine Lungenentzündung hast. Wieder. Du gehst nach Hause und liegst in einer kleinen Lache deines eigenen Schweißes, bevor John mit Blumen vorbeikommt, die er bei der Polizeistation am Ende der Straße geklaut hat. "Regierungsgebäude", sagt er, "haben immer die besten Blumen." Er hält dich und nimmt dir das Versprechen ab, nicht zu gehen und in diesem Moment erkennst du, daß dir dein eigener Tod nicht gehört, daß er tatsächlich anderen gehört als eine Art letztes Geschenk, als die letzte Sache, die du in den Topf heineinwerfen kannst. Und du schaust ihm in die Augen, wissend, daß der Tod doch nicht endgültig ist. Und daß die Engel noch nicht bereit sind. Und dann schläfst du ein.Mike Hoolboom: Geboren 1959 in Toronto. 1978-80 Performance-Gruppe White Noise Labs. Seit 1980 45 Experimentalfilme.

Kanada 1996
16mm, col., 15:00
Regie, Schnitt: Mike Hoolboom
Screenplay: Mike Hoolboom, Vito Russo
Kamera: Steve Sanguedolce, Mike Hoolboom
Musik: Earle Peach


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