Neu im Verleih



THE DECAY OF FICTION von Pat O'Neill

The Decay of Fiction ist eine Kreuzung zwischen Wirklichkeit und Halluzination in einem verlassenen Luxushotel. Das Hotel liegt in Hollywood. Die Wände des Ambassador sind gerissen und blättern ab, der Rasen ist braun und Schimmel wächst auf den feuchten Teppichen des Cocoanut Grove. Das Schwimmbad ist leer und der Ballsaal, in dem BOBBY KENNEDY starb, ist verriegelt und die Fensterläden sind geschlossen. Eine große, elegante Blondine steht deutlich sichtbar auf der Terrasse ihres Bungalows und betrachtet rauchend den Sonnenaufgang. Stimmen und Geräusche wehen über den Rasen. Ein Trupp unheimlicher Männer kommt an und fragt nach Jack. Jack erwartet Ärger, aber nicht diese Art von Ärger. Louise, ein Gast, wiederholt einen Alptraum, in dem sie Pauline ertränkt, damit sie Dean heiraten kann. Die Sonne geht unter und geht wieder auf. Überall tauchen zwei Detektive auf, die nach kommunistischer Literatur suchen und sich sinnlose Geschichten über Unterweltintrigen erzählen. In der Küche und hinter der Kulisse geht die tägliche Routine weiter, Individualität schwindet und Arbeiter verschmelzen mit ihrer Arbeit. Der Winter vergeht und ein weiterer Sommer. Und schließlich ist Halloween, ein Kostümball findet statt, der das Leben Rhondas, der schwer fassbaren Sopranistin, fordert. Und dann fällt das Gebäude in einem Poltern von spanischen Ziegeln und Beton zusammen und die Realität wird endlich wieder Fiktion.

Vor fast vierzig Jahren kritzelte ich die Worte The Decay of Fiction auf die Rückseite eines Notizbuches, riss sie heraus und griff sie fünfzehn Jahre später wieder auf, immer mit dem Gedanken einen Film aus dieser fertigen Beschreibung zu machen. Für mich beziehen sie sich auf den normalen Zustand des ›Geschichten halb Erinnerns‹, des ›Filme halb Sehens‹, Texte am Rande der Erinnerung, die verschwinden wie ein Buch, das auf dem Erdboden liegt und sich in die Erde zersetzt. Der Film spielt in einem Gebäude, das zerstört werden soll, dessen Wände eine große Last an Erinnerungen enthalten: kulturell und persönlich, bewusst und unbewusst. Den Film machen zu können bedeutete, ein paar seiner Persönlichkeiten und ihrer Gespräche, auf diesen engen Raum zusammen-gewürfelt, einfangen zu müssen. Das Gebäude und seine Geschichten vergehen gemeinsam und das Eine scheint jeweils eine Metapher des Anderen zu sein.

Pat O'Neill lebt in zwei Welten: er und seine Firma der visuellen Effekte, Lookout Mountains Films, haben seit 1970 die bekanntesten Effekte für Hollywood-Filme geschaffen, von ›Die Rückkehr der Jedi Ritter‹ bis ›The Game‹. Er ist auch Mitglied der experimentellen Filmszene, die in den 60ern und 70ern so vital war; hier hat er Pionierarbeit auf dem Gebiet der frei fließenden, manipulierten Live-Action geleistet, von der wir heutzutage umgeben sind.

1939 in Los Angeles geboren, erhielt Pat O'Neill seinen Master of Arts in graphischem Design und Fotografie von der UCLA, wo sein Mentor der Fotograf Robert Heineken war. Er produzierte 1963 seinen ersten Kurzfilm in Zusammenarbeit mit dem Initiator der Computergraphik, Robert Abel. In den 60ern und 70ern lehrte er Fotografie an der UCLA, experimentierte mit und verfeinerte die begrenzten Mittel zur Bilderverbindung, die damals zur Verfügung standen (der optische Kopierer, zuerst in 16mm und dann in 35mm). Ästhetische Bedenken, die er mit einer Generation kalifornischer Künstler teilt, führte ihn von der Skulptur zu Versuchen mit Endlos-Filminstallationen, die in Galerien ausgestellt und in Rockkonzerte eingebaut wurden.

Zeitgenossen O'Neill's in der experimentellen Filmszene sind unter anderem Stan Brakhage, Bruce Conner, Bruce Baillie, Chick Strand und die schon verstorbenen Hollis Frampton und Ed Emshwiller. Außerdem erwähnt er den Einfluss von Michael Snow. Er war 1970-1975 Gründungsdekan für Film und Video am California Institute of the Arts, und seit 1975 betreibt er seine hoch angesehene Spezialeffekt- und optische Kopiererfirma. Er hat immer die Produktion und Aufführung experimenteller Filme unterstützt und arbeitet mit zahlreichen Filmemachern an deren Projekten. Er und seine Frau Beverly, die auch in der Los Angeles Film-Gemeinde aktiv ist, waren Mitbegründer einer frühen Filmkooperative in Los Angeles.

Gleichzeitig mit der Produktion von The Decay of Fiction führt er Regie bei einer interaktiven DVD, die Begleiter und Ergänzung zum Film ist. Tracing The Decay of Fiction: Encounters With A Film By Pat O'Neill ist eine Zusammenarbeit mit dem Projekt Labyrinth am Annenberg Center for Communication an der University of Southern California (USC). Während fotomechanische Technologie weitestgehend ersetzt wurde, entstand The Decay of Fiction auf traditionellem Weg. Selbst in O'Neill's geliebter Dunkelkammer ist der Vergrößerer vom G3 ersetzt worden, das er zur Produktion von großformatigen digitalen Kunstdrucken seiner bildbasierten Kunst benutzt.

// USA 2002, 35mm, 74:00
// Regie, Schnitt, Produktion: Pat O'Neill
// Produzentin: Rebecca Hartzell
// Kamera, Sounddesign: George Lockwood
// Produktionsassistenz: Nancy Oppenheim
// Best Boy: Doug Cragoe
// Gaffer, Key grip: Amy Halpern
// Garderobe: Violetta Elfimova
// Makeup: Tereza Nelson, Tamara Margarian
// Videoassistenz: Eric Furie, Mark Michael
// Kameramann, Rotoskopanimation: Kate McCabe
// Ausführende Muse: Beverly O'Neill
// Darsteller: Wendi Winburn, William Lewis, Julio Leopold, Amber Lopez, Jack Conley, John Rawling, Patricia Thielemann, Dan Bell, Kane Crawford, Damon Colazzo, Jacqueline Humbert, Judy Lieff.

// Verleih für Europa: 35mm Filmkopie 200,-- Euro + 7% MwSt.
// Internationaler Experimentalfilm Workshop e.V.
// Lohstraße 45a
// 49074 Osnabrück
// Tel: ++49(0)541-21658
// Fax: ++49(0)541-28327
// e-mail:  rsausmikat@emaf.de

Festivalpage 2003





Pat O'Neill: The Decay of Fiction