›Der Mann mit der Kamera‹ ist eines der aufregendsten dokumentarischen Experimente der Kino-Geschichte. Regisseur Dziga Vertov drehte diesen Film 1928, um das noch junge Medium Film unabhängig von den Geschichten der Literatur und den Inszenierungen des Theaters zu etablieren. Denn Filme sollen »das Leben so zeigen, wie es ist«.
Mit diesem Anspruch filmte er das Leben auf den Straßen von Moskau, Kiew und Odessa, von der Morgentoilette bis zum abendlichen Kneipenbesuch, Menschen bei der Arbeit, auf dem Markt, eine gebärende Frau – und einen Kameramann, der diesen Alltag filmt. In revolutionärer Montagetechnik mit Zeitlupe, Stop-Motion, Doppelbelichtung, Überblendung verwebt er seine Szenen – und widerlegt damit seinen eigenen Realitätsanspruch, weil er mehr zeigt als »es ist«.
Der Klangkünstler WERNER CEE hat für diesen Klassiker eine neue Tonspur geschaffen, die Vertovs Collage-Prinzip aufgreift. Mit modernen Schnitt- und Montagetechniken bearbeitet er Naturklänge, brodelnde Stadtgeräusche, Stimmen- und Musikfragmente, die mit den Bildern der vergangenen Tage korrespondieren. Dazu spielt Cee live auf einer E‘ch’in, einem chinesischen Saiteninstrument. So verhilft er Vertovs wunderbarem, ideenreichem Zeitdokument zu einem neuen faszinierenden Klanggewand.
J‘ADORE
// Lagerhalle / Fr 12. Mai 2006 / 20:00 h / Total ca. 60:00
Benny Nemerofsky Ramsay & Pascal Lièvre
Ein Abend für Liebhaber und Mitsänger von wohlbekannten PopSongs! Benny kommt aus Montréal, Pascal aus Paris. Erst vor ein paar Jahren haben die beiden – völlig unabhängig voneinander – angefangen mit Video zu experimentieren. Als sie sich zum ersten Mal trafen, stellten sie fest, dass sie in gleicher Weise und mit ähnlichen Ideen arbeiten. Das Ergebnis ihrer ersten Zusammenarbeit ist das Video ›Patriotic‹, Teil ihrer gemeinsamen Zusammenarbeit für das Programm J'adore, das als deutsche Premiere auf dem EMAF läuft!
NERVOUS BREAKDOWN
// Kunsthalle Dominikanerkirche / Do 11. Mai / 22:00 h & Sa 14. Mai / 19:30h
Artists Anonymous
Nervous Breakdown ist ein starker, scharfsinniger Kommentar zum Leben der ARTISTS ANONYMOUS und Berlin, der Metropole in der sie arbeiten. In dieser Performance mögen die Aktionen wie Slapstick oder Komödie erscheinen, aber unter der Oberfläche schwelen böse Zwischentöne. Über das tragische Pathos des Clowns lacht ein jeder, denn sein Missgeschick führt uns die Absurdität der Welt vor Augen. Der Blickwinkel der Artists Anonymous ist ein ähnlicher. Sie bedienen sich der Malerei als Mittel um ihre Melancholie zum Meisterwerk mutieren zu lassen. Ihre Körper und ihre Umgebung benutzen sie als lebendige Leinwand.
MEET JANE EDGAR
// emma-theater / Do 11. Mai / 20:30 h
goldextra
Ein schwitzender Koloss sitzt am Schreibtisch, vor ihm ein weißes Blatt Papier. J. Edgar Hoover, 48 Jahre lang Chef des F.B.I und größter Überwacher der Welt, muss seine eigene Geburtsurkunde ausfüllen. Für die Akten, die seine Sekretärin, Miss Gandy, seit 50 Jahren bewacht. Doch die papierenen Aktenmassen, Videos und Tonbänder, die beide umgeben, übernehmen das Kommando und entspinnen ein verblüffendes Geflecht aus Bildern, Klängen und Geschichten.
Außer Kontrolle begeben sich auch die KünstlerInnen der österreichischen Gruppe GOLDEXTRA auf der Bühne. Ein Performer, eine Tänzerin, ein elektronischer Musiker, eine Videokünstlerin und ein Illustrator erzählen in einer Performance, die sich an der Arbeit von Live-Musikern orientiert, ihre Version vom Tod des gefürchteten und legendären Geheimdienstchefs. Teile des Stücks bestehen aus Improvisationen, in denen das Material frei und assoziativ weiterentwickelt – remixt – wird. So entsteht in jeder Vorstellung ein neues Stück. Das EMAF präsentiert dieses Abenteuer für Publikum und Akteure in Kooperation mit dem Theater Osnabrück.
(Karten im Vorverkauf beim Theater Osnabrück und an der Abendkasse /Eintritt € 14,80 / mit Festivalpass € 7,90)
THE AUDIBLE PICTURE SHOW
// Haus der Jugend / Fr 12. Mai 2006 / 21:00 h
Matt Hulse
»Meine Damen, meine Herren! Dies ist eine Kinovorführung ohne Bilder! Ich muss Sie darauf hinweisen, da wir in der Vergangenheit öfter Beschwerden bekommen haben«, mit diesem Hinweis beginnt MATT HULSE stets seine Show. Denn auf gewöhnlichen Filmfestivals könnte seine ›Audible Picture Show‹, seine ›Hörbare Bilderschau‹ mit dem Zusatz »für dunkle Kinos«, leicht als Affront verstanden werden. Auf dem EMAF ist das selbstverständlich anders!
Die Show besteht aus einer ständig wachsenden Kollektion kleiner Audioarbeiten, die Hulse selbst herstellt, die ihm aber auch zugesandt wird. Je nach Reaktion des Publikums startet er die Soundschnipsel, mischt sie. Das Resultat ist einzigartig! Auf der »inneren Leinwand« entsteht ein noch nie gesehener Film, während das Auge gemütlich in der Dunkelheit ruht. Eine echte »Film-Vorstellung«, denn hier malt sich jeder Zuschauer seinen eigenen Film aus. Nehmen Sie eine Auszeit von der täglichen Bilderflut und erleben sie mit der ›Audible Picture Show‹ wieder, wozu das Kino alles fähig ist!