<< zurück

Worte und Spiele
(E): Words And Games

Harun Farocki
D 1998, 68:00

EMAF 2005
Tour: nein
im Verleih: nein / in distribution: no

Credits:
// D 1998, 68:00, Video-BetaSP, Farbe // Buch, Directing: Harun Farocki // Camera: Ingo Kratisch, Rosa Mercedes (Harun Farocki) // Editing: Max Reimann // Music: Markus Spies nach Johannes Brahms, Opus 121, Denn es geht dem Menschen wie dem Vieh

Beschreibung:
Die neuen Produktionsanlagen für die täglichen Talk- und Game-Shows liegen an den Peripherien der Großstädte, in Unterföhring bei München an einer Verlängerung der Bahnhofstraße, die Medienallee benannt ist. Der wichtigste Rohstoff dieses Industriezweiges, der so neu ist, dass er seine Kosten und Extrakosten, Profite und Extraprofite noch nicht zuverlässig voraussehen kann, ist der Alltagsmensch. Der ist billig und will sich zur Erscheinung bringen, aber hat er einen Schauwert? Die Alltagsmenschen folgen einem Aufruf, der über Bildschirmtext ergeht, nach einer Vorauswahl werden sie von Producern und Betreuern in Scharen in Empfang genommen. Die Betreuer im Studentenalter erklären die Spielregel und üben den Auf- und Abtritt, erfragen und repetieren Lebensgeschichten. Sie sollen die täglich mehrfach umgeschlagenen Massen raffinieren, mit Engelssinn sind sie daran, ihnen etwas Ornament einzubläuen. Vor ein paar Jahren hätten sie einen Heil- oder Pflege-Beruf erstrebt. Jetzt lehren sie, wie man in die Kamera winkt und die nichtigste Erfahrung in deutliche Fertigsätze fasst. Sie geben belegte Brötchen aus und nehmen die Angst. So geht es auch im Dokumentarfilm zu und die Talkundgameshows sind die dokumentarische Produktionsidee in industrieller Form. Wenn das Kino Träume produziert, dann dieses Fernsehen Träumereien. Man hing ihnen früher nach, wenn man auf ein Kissen gestützt aus dem Fenster auf den Hof oder die Gasse sah. Unbestimmte Empfindungen wallten auf und schwanden, hinterließen einen vagen Wunsch nach Wiederholung. Der gab ein Zauberwort ein, das sich nicht sprechen ließ und doch nachhallte... Das sind die Kriechströme des Bewusstseins. Sie sind kaum zu messen oder: es gibt noch keine Geräte dafür. Diese Kommodifizierung der halbtoten Lebenszeit, wird sie helfen, die Träumereien festzustellen? (Harun Farocki)

Description:
The new production plants for the daily chat- and game shows are on the periphery; in the case of Unterföhring near Munich on the extension to the Bahnhofstraße named Medienallee (Media Avenue). This industry is so new, that it cannot yet reliably predict costs and extra costs, profits and extra profits; its most important raw material are the ordinary, everyday people. They are cheap and they want to make an appearance, but are they worth showing? The ordinary people follow the call, which goes out via teletext, and after preliminary screening they are received by droves of producers and assistants. The assistants are of student age. They explain the rules of the game, help practice entrance and exits, they enquire into and repeat life histories. It is their task to refine the daily inflow of the masses and with angelic sensitivity, to try and instill a little decorativeness. A few years ago they would have been found in the healing or caring professions. Nowadays they teach people how to wave to the camera and how to package the most commonplace experiences in clear, readymade sentences. They give out sandwiches and alleviate fear. The same thing happens in documentaries and chat-and-game-shows are just the industrial form of the documentary's production concept. If cinema produced dreams then this kind of television produces daydreams. The kind people used to indulge in when leaning out of the window, leaning on a cushion and looking out at the yard or the alley. Undefined feelings rose and fell, leaving behind them a vague desire for repetition, like a magic charm which cannot be spoken yet still reverberates ... These are the creeping flows of consciousness. They can hardly be measured, or perhaps we don't yet have the apparatus to do so. Will all this commoditization help to detect these daydreams? (Harun Farocki)

<< zurück