You Are Here
/ You Are Here
Daniel Cockburns Spielfilm könnte als Meta-Detektivgeschichte bezeichnet werden. Ein Mann, der in einem Raum gefangen ist, beantwortet Fragen auf Chinesisch ohne die Sprache zu verstehen. Verwirrte Fußgänger laufen durch die Straßen der Stadt und nehmen nichtssagende Kommandos von einem Kontrollzentrum entgegen, das ihre Bewegungen steuert. Ein Kind erzählt die Geschichte eines verrückten Wissenschaftlers, dessen allgegenwärtiges Computerauge die Welt einzunehmen droht. Dies sind nur einige der verwirrenden Verwicklungen in You Are Here, dem ersten Spielfilm unter der Regie des aus Toronto stammenden Videokünstlers Daniel Cockburn. Mit seinem breit angelegten filmischen Denkspiel stößt er einen ernsthaften und bedeutsamen Diskurs über das flüchtige Wesen Identität an. Durch den rasanten Wechsel an neue Schauplatze verhindert Cockburn, dass wir zu lange über den eben gesehenen Handlungsstrang nachdenken (können). Gleichzeitig erscheint der Versuch eines Laserpointers auf der Leinwand, ein immer wieder mäanderndes Gebilde zu erfassen, endlos. Trotzdem sind wir versucht ihm zu folgen. Allerdings ist es genau das,was wir auf unbedingtes Anraten des Erzählers in der Eröffnungssequenz nicht tun sollten.
You Are Here ist ein Fantasiefilm im Stil von Borges, aus multiplen Welten komponiert, die sich auf immer wieder unerwartete Art und Weise umkreisen und verstricken. Im Mittelpunkt dieses erzählerischen Labyrinths steht eine scheue Frau (Tracy Wright), die versucht einen Sinn in den ihr immer wieder erscheinenden rätselhaften Dokumenten zu finden. Ihre Nachforschungen beginnen, als sie auf die Tonbandaufnahme eines Mannes stößt, der einen merkwürdigen Vortrag hält: Beruhigend und gleichzeitig bedrohlich, gibt er Anweisungen wie ›man dorthin kommt, wo man hingehen muss‹. Ist es ein zufälliger Fund oder eine für sie bestimmte Nachricht? Ein weiteres seltsames Dokument taucht auf und noch eins …
Schnell wird ihr Haus zu einem Archiv, das randvoll ist mit rätselhaften Texten, Bildern und Klängen. Sie baut eine enge Verbindung mit den Menschen aus diesen Dokumenten auf – der Vortragende, ein Gefangener, ein Erfinder – jeder von ihnen kämpft, genau wie sie, mit den unverständlichen Gesetzen ihrer eigenen Welt. Aber die Organisierte wird zur Organisierenden als ihr so akribisches System ihr zum Verhängnis wird; das Archiv ist ein Betrüger, der ihren Verstand auseinander zu reißen droht. Da Realitäten um sie herum zusammenbrechen und sich überschneiden, muss sie eine endgültige Entscheidung treffen: ist sie eine freie Akteurin oder nur ein Werkzeug des Archivs?‹
Innovativ in seiner Form und einzigartig in Bezug auf den Inhalt, ist YOU ARE HERE ein intellektuell abenteuerlicher Film, der die Natur des Bewusstseins, das Verhältnis zwischen Technologie und dem Gefühl für uns selbst und dem, was mit einem Verstand geschieht, wenn man zu lange in ein Experiment vertieft ist, das man selbst initiiert hat, untersucht. ›Originell und vielschichtig,You Are Here ist ein brilliant aufgebauter Spielfilm, ein Debüt voller philosophischer Ideen und unglaublicher Energie.‹ – Atom Egoyan
Director/author: Daniel Cockburn
Canada 2010
Film & Video Video 78min.
You are here