
Paolo Cirio and Alessandro Ludovico
Mit Hilfe spezieller Individualsoftware sammelten wir Daten von mehr als 1.000.000 Facebook-Usern. Wir sammelten ihre ›öffentlichen Daten‹, einige ihrer persönlichen Daten (Name, Land, Facebook-Gruppen, deren Mit- glied sie sind) sowie das Hauptbild ihres Profils und einige Freundschaftsverbindungen. Wir erstellten eine Datenbank aus all diesen Daten und analysierten dann die Bilder, die lächelnde Gesichter zeigten.
Die meisten Bilder waren sowohl amateurhaft als auch irgendwie fast unfreiwillig oder unbewusst verführerisch. Es ist auch offenkundig, dass die Mehrheit der User in Bezug auf Figur und Aussehen ein gutes Bild ab- geben wollen. Sie erfüllen den von Facebook vorgegebenen Mechanismus: neue Freundschaften zu schließen. Facebook basiert auf der Idee, persönliche Daten freiwillig ins Netz zu stellen und diese mit Freunden zu tei- len. Je mehr Freunde, desto besser. Wenn ein Facebook-User sich persönlich zeigt und beliebt ist, ›entblößt‹ er/sie sich vor anderen und setzt sein Vorhaben, weitere Freundschaften zu schließen, fort.
Als die Datenbank fertig war, erarbeiteten wir einen Algorithmus zur Erkennung von Gesichtern und richteten diesen individuell ein. Der Algorithmus nutzte selbstlernende neuronale Netzwerke und war so programmiert, dass er die große Anzahl an von uns gesammelten Gesichtern (und die dazugehörigen Daten) in ein paar einfache Kategorien ›einteilt‹.
Die Kategorien gehören zu den gebräuchlichsten, die wir in der Regel nutzen, um eine Person aus der Ferne zu definieren, ohne ihn/sie zu kennen oder um sie aufgrund weniger Verhaltensweisen zu beurteilen. Wir suchten sechs Kategorien aus (›Streber‹ ›gelassen‹, ›lustig‹, ›sanft‹, ›listig‹ und ›arrogant‹ - Arbeitsdefinitionen), mit ei- nigen intuitiven Unterschieden sowohl für männliche als auch für weibliche Personen. Die Software wählte dann 250.000 Gesichter aus, die mit den entsprechenden öffentlichen Daten aus unserer Datenbank verbunden wurden. Durch die Zusammenfassung all dieser Informationen, wollten wir diesen weiteren Schritt für alle leichter machen.
Wir erstellten eine Dating-Website [www.Lovely-Faces.com] und importierten alle 250.000 Profile. Dadurch entstand ein virtueller Ort, dem Facebook immer sehr nahe ist, den er aber nie ausdrücklich betritt. Facebook bietet nur eine enorm große Plattform für die aktive Suche nach potentiellen sexuellen Beziehungen. Die Profile sind definitiv als ›Single‹ definiert und stehen in einem recht konkurrierenden Umfeld zur Verfügung, mit echten Daten und echten Gesichtern, die die User selbst geposted haben.
Ihr Lächeln wird am Ende das erreichen, was sie im Unterbewusstsein wirklich wollen: mehr Beziehungen zu unbekannten Menschen, angezogen durch ihre virtuelle Präsenz. Den Preis, den die User zahlen, ist der, kategorisiert zu werden als das, was sie wirklich sind oder eher, wie sie gerne in der berühmtesten und überfülltesten Online-Umgebung dargestellt werden wollen. Das Projekt beginnt, das Vertrauen, das 500 Millionen Menschen in Facebook gesetzt haben, zu zerstören.
Alessandro Ludovico is a media critic and editor in chief of Neural magazine since 1993 and was awarded with a ›Honorary Mention‹ for Net.Vision at Prix Ars Electronica 2004. He's one of the founders of the 'Mag.Net (Elec- tronic Cultural Publishers organization). He also served as an advisor for the Documenta 12's Magazine Project. He has been guest researcher at the Willem De Kooning Academy in Rotterdam. He teaches at the Academy of Art in Carrara.. www.neural.it
Paolo Cirio, 1979, works as a media artist in various fields: netart, public-art, video-art, software-art and experimental storytelling. He has won prestigious media art awards and his works have been sustained by research grants, collaborations and residencies. He has exhibited in international museums and institutions worldwide His radical and controversial art works depict the predisposition of corporate and governmental organizations to manipulate reality through using information's power. www.paolocirio.net .