Zum 10. Mal wird Osnabrück wieder zum Treffpunkt
der Medienkunst. Vom 7. - 11. Mai präsentiert das European
Media Art Festival (EMAF) innovative Arbeiten der Bereiche Film/Video,
Installation, Performance, CD-Rom und Internet.
Aus 29 Ländern erreichten uns 970 Einreichungen zu den
einzelnen Sektionen des Festivals,
aus denen eine Kommission die Festivalbeiträge auswählte.
Im internationalen Programm
sind neben Deutschland traditionell die USA und Großbritannien
stark vertreten. Aber auch
Produktionen aus Neuseeland, Japan, Rumänien, Brasilien
und Spanien werden auf dem EMAF
zu sehen sein, mit denen ein breites Spektrum kreativer
Ideen und Projekte vorgestellt wird.
Film & Video
Im internationalen Film/Videoprogramm werden ca.
110 Beiträge
(u.a. vonKen Kobland, Matthias Müller, Jürgen Reble,
Michael Brynntrup, Abigail Child) präsentiert,
die inhaltlich von narrativen Formen bis zu
visuellen Experimenten reichen. Bemerkenswert ist die hohe Anzahl
längerer Filme, wobei eine eingereichte Filmfassung
in vielen Fällen keinen
Rückschluss auf das Ausgangsmaterial und die Bearbeitungsweise
zuläßt.
Die Künstler nutzen und kombinieren die künstlerischen
und ästhetischen
Möglichkeiten von Film, Video und Computer in immer stärkerem
Maße, so daß die bisherigen ästhetischen und formalen
Definitionen für Film- und Videokunst neu diskutiert werden müssen.
Die AG der Filmjournalisten, vertreten durch Cornelia Fleer,
Reinhard Kleber und Ingo Petzke, vergibt in Osnabrück
den Preis der deutschen Filmkritik für die beste deutsche
experimentelle Film- oder Videoproduktion des Jahres. In einer
Retrospektive wird es ein Wiedersehen mit den Preisträgerfilmen
der letzten zehn Jahre geben.
Auf zwei Filme aus dem internationalen Auswahlprogramm
möchten wir besonders hinweisen:
GALLIVANT, der erste abendfüllende Film von
Andrew Køtting, ist ein amüsanter und berührender
Beitrag über Reisen, Kommunikation und Selbstdarstellung.
Er beschreibt die mehrmonatige Reise Køttings mit seiner
85jährigen Großmutter und seiner 7jährigen Tochter,
die sich nur durch Zeichensprache verständigen kann,
entlang der britischen Küste.
Großmutter und Urenkelin entwickeln einen Dialog mit Exzentrikern,
'verrückten' Typen und den 'normalen' Menschen, die
ihnen begegnen, während der Regisseur einen ironischen, aber von
einem "stillen Humanismus" geprägten Einblick in die
Generationen seiner Familie gibt.
"People-Bedroom-No Script". Unter dieser elementaren
Versuchsanordnung kommen in Beth Bs VISITING DESIRE
zwölf sehr unterschiedliche Menschen zusammen (u.a. Lydia Lunch),
von denen jeweils zwei für einen begrenzten Zeitraum ihre
Wünsche und fantasien miteinander ausleben wollen.
Statt krassem Voyeurismus erlebt der Zuschauer intime Portraits,
die zugleich komisch, erotisch, emotional berührend und
letztendlich im Wortsinne "enthüllend" sind.
Dem 1984 verstorbenen Film- und Videoavantgardisten
Stan VanDerBeek, ist eine umfassende Werkschau gewidmet. VanDerBeek,
der in den 50er Jahren seine Karriere mit der Arbeit an abstrakten
Filmen begann, arbeitete schon in den frühen 60ern mit Computer-
und Videotechniken. In seiner multimedialen Arbeit beschäftigte
er sich auch mit der Entwicklung neuer visueller Effekte, für
die er spezielle Projektionssysteme entwarf. Die Retrospektive
wird von dem renommierten amerikanischen Filmwissenschaftler William
Moritz vorgestellt.
Im Projektbereich des Festivals steht das Thema Web-Filme
- Inszenierungen im Web - im Vordergrund.
Hier wird u.a. die herausragende
Arbeit My Boyfriend came back from War der Moskauer
Künstlerin Olia Lialina gezeigt.
Viewing Distance ist ein
Festivalprojekt, das bereits jetzt zur Teilnahme einlädt
und aus Screenshots der Teilnehmer eine neue Geschichte aufbauen
wird.
Unter dem Titel Games and Comics, High End Games werden von
Machiko Kusahara (Tokyo) neueste Produktionen aus japan vorgestellt,
in denen sich die immer weitergehende Verknüpfung von
Computerspielen und Unterhaltungsindustrie widerspiegeln.
Ein besonderes Projekt des EMAF ist die 'Virtual
Exibition', in der in einem 3-D Raum die Ausstellung und weitere
Programme des Festivals abgebildet und abrufbar sind. Vorgestellt
wird auch das neue Projekt Dialogue Spaces, das in Zusammenarbeit
mit artimage, Graz, realisiert wird.
Workshops zu VRML, Real Audio und Real Video
bieten Einblick in neueste Entwicklungen der Netz-Medien,
die auch für die Film- und Videoproduktion zunehmend interessanter
werden.
Im Electronic Café des Festivals werden weitere
künstlerische Netzprojekte und neue CD-Rom-Produktionen vorgestellt,
u.a. die neuen CD-Roms von Peter Gabriel (GB), Simon Biggs (GB),
Die Veteranen (D), Artintact III des ZKM, Collective
Memory von Kristy Kang (USA) und On A Clear Day, eine
Gemeinschaftsarbeit von jungen britischen und australischen Künstlern.
In einer Vortragsreihe mit dem Thema Netzkritik
werden die Entwicklungen im Bereich der Netze und AV Medien aus
unterschiedlichen Positionen kritisch reflektiert. Eingeladen
sind u.a. der Netzkritiker Geert Lovink (NL), die Theoretiker
Hartmut Winkler (D) und Herbert A. Meyer (D) sowie die Künstlerin
Marina Grzinic (SLO).
Nicht-Orte - Handlungsfelder im urbanen und digitalen
Ereignisraum ist der Titel einer Präsentation
von Knowbotic Research, Köln.
Unter dem Titel Games and Comics, High End Games
werden von Machiko Kusahara (Tokyo) neuste Produktionen aus Japan
vorgestellt.
Hong Kong
Das "Hong Kong Special" wird
Filme, Videos, Installationen und Internetprojekte aus der ostasiatischen
Metropole präsentieren. In mehreren Vorträgen, die
in Zusammenarbeit mit dem Hong Kong Arts Center und
dem Arts Center der HK University
of Science and Technology organisiert sind, wird die Kunst- und
Kulturszene Hong Kongs vorgestellt.
Geprägt durch das Spannungsverhältnis
zwischen asiatischen und westlichen Einflüssen sowie dem
politischen Druck, der durch die Übernahme Hong Kongs durch
die VR China gegeben ist, entstand eine Kulturszene, die in
Europa erstaunlicherweise kaum bekannt ist.
Video Brasil
Solange Farkas, die Leiterin des größten
lateinamerikanischen Festivals für Videokunst und Multimedia,
das Video Brasil in São Paulo, wird die Preisträger
des letzten Festivals präsentieren.
In ihrem Programm wird u.a. die neue Arbeit von Carlos Nader zu sehen sein.
Eine Begegnung zwischen realem und virtuellem Körper
zeigt die Performance der Kanadierin Isabelle
Choinière. Communion - Le Partage des Peaux II
ist ein Multimedia-Ballett, in dem Tanzbewegungen durch Video-
und Computerbilder verstärkt werden. Sensoren, über
Arme, Beine und Körper verteilt, registrieren die Bewegungen
und steuern Bilder der Tänzerin auf der sie umgebenden Leinwand.
Indem der Körper der Tänzerin Bilder und Klänge
auslöst, setzt sich die Künstlerin mit dem tatsächlichen
und dem virtuellen Körper in einem elektronischen Lebensritual
auseinander.
Zentral gelegen, bietet das Student Forum mit dem Café als
Treffpunkt, der freien Übernachtungsmöglichkeit und einer
großen Party eine besondere Atmosphäre für
studentische Besucher des Festivals.
Programmatisch präsentiert das Student Forum auf dem Festival ein
breites Spektrum mit Arbeiten von Studierenden aus dem In- und Ausland.
Im "Bürgergehorsam", einem mittelalterlichen Turm,
dessen ehemalige Funktion in seinem Namen dokumentiert ist, wird
ein Teil der Video- und Computerkunst ausgestellt.
Re-cordis: erinnern, zurückgehen durchs Herz
ist die Vorführung einer Gruppe junger Studentinnen
der HBK Saar, die aus dem Performance- und Creativtraining
Ulrike Rosenbachs hervorgegangen ist.
Die Performerinnen kombinieren individuelle Beiträge mit den Elementen
Körperarbeit, Video und Sound zu einem gemeinsamen
Raum- und Improvisationskonzept.
Im Net-Room werden verschiedene Projekte vorgestellt, die sich u.a.
mit dem Thema Computer und Sprache befassen.
In weiteren Programmen werden zusätzlich Film-
und Videobeiträge von StudentInnen zu sehen sein, die die
unterschiedlichen Arbeitsweisen an den internationalen Medienakademien
dokumentieren.
Vom 7. - 25. Mai werden in der Kunsthalle Dominikanerkirche
Videoinstallationen und interaktive Objekte ausgestellt,
in denen auf unterschiedliche Weise soziale, kulturelle oder
wahrnehmungsgeschichtliche Aspekte einen künstlerischen
Ausdruck finden.
Von Beth B (USA) wird die beeindruckende Installation
Under Lock and Key zu erleben sein, die ein zentrales
Thema ihrer künstlerischen Arbeit zum Inhalt hat: Die Gewalt
an Opfern und Tätern. In vier schmalen, nur mit einer Glühbirne
ausgestatteten Zellen, ist die monotone Stimme eines Inhaftierten
zu hören, der über sein Leben im Gefängnis reflektiert.
Hinter den Zellen wird der Besucher mit zwei Videoprojektionen
von Personen konfrontiert, die sowohl Opfer- als auch Täterberichte
wiedergeben.
Einen ganz anderen Erlebnisraum schafft der japanische
Environment-Künstler Keiichi Tanaka. Er führt
den Besucher mit seiner Laserinstallation LUMINOUS- COSMIC
RAYS in eine imaginäre Welt aus Licht und Ton. Mittels
Geigerzähler werden kosmische und von Substanzen und Objekten
auf der Erde ausgehende Strahlungen gemessen, und in eine Symphonie
aus Laserlicht und Soundeffekten transformiert.
Auch bei Clea T. Waite geht es, wenn nicht
um Raum, so doch um Räumlichkeit. Vier lebensgroße
stereoskopische Projektionen von Tänzern umgeben den Zuschauer.
Die Darsteller bewegen sich in die 3D-Projektionsebene hinein
und aus ihr hinaus, und scheinen sogar den Raum des Betrachters
zu betreten , ja fast zu durchqueren. In der künstlerischen
Inszenierung verwischen sich die Grenzen zwischen Realität
und Wahrnehmung.
Retinal Memory Vol. von Luke Jarmann, Cardiff, benutzt
den Bereich hinter dem Auge als "Leinwand". Seine Arbeit basiert auf dem
Prinzip des Nachbildeffekts, der eintritt, sobald eine Lichtquelle
bestimmter Intensität auf das Auge trifft und ihr Abbild
auf der Retina einbrennt.
A Short Affair von Karen Murphy und
A. P. Komen ist eine Videoinstallation, die über eine
zwischenmenschliche Beziehung, die alleine auf dem Anrufbeantworter
stattfindet, reflektiert.
Diese Arbeit setzt sich kritisch aber auch humorvoll mit dem Dilemma des
direkten Kommunikationsverlustes aufgrund technischer und
selbstgesetzter Barrieren auseinander.
of Lotus A von Pamela Susan Hawkins ist eine
Installation in Form eines "ready-made" im Geiste Duchamps,
in der sich die Künstlerin experimentell, poetisch mit den
unsere Existenz beeinflussenden Polen Natur und Technik beschäftigt.
Als Metapher und Material benutzt sie dabei die Blüte
der Lotusblume.
Neben den hier erwähnten Installationen sind
Sera Furneaux' (GB) Kissing
sowie Künstlergruppen aus Hong Kong (Kuratoren Danny Yung
und Ellen Pau) vertreten.
Weitere Infos
European Media Art Festival
Postfach 1861
49008 Osnabrück
Tel.: 05 41 - 2 16 58
Fax: 05 41 - 2 83 27
E-mail:
emaf@bionic.zerberus.de
Internet: http://www.emaf.de