Das European Media Art Festival in Osnabrück
führt alljährlich für fünf Tage Film- und Videomacher,
Multimedia- und Performancekünstler, Medientheoretiker, Journalisten und
ein junges interessiertes Publikum zusammen. Ein aus dem internationalen
Programm zusammengestelltes Tourprogramm besteht jeweils aus zwei
eigenständigen Film- und Videopaketen, die weniger ein Best of...
präsentieren, sondern eher einen repräsentativen Überblick
über die internationale Film- und Videokunstszene bieten.
Da das 9. European Media Art Festival im September 1996 fand und das 10.
Festival aus organisatorischen Gründen schon im Mai 1997 folgte, werden in
dieser Tour erstmals Filme und Videos aus zwei Festivaljahrgängen
präsentiert. Auch 1998 wird der Termin vom 6.-10. Mai im Frühjahr
liegen.
L'Hôtel von Mark Steffen Göwecke eröffnet das
Filmprogrammdieser Tour. Dieses filmische Portrait eines bretonischen
Hotels und seiner Besitzerin wurde in 1997 von der AG der Filmjournalisten mit
der Preis der deutschen Filmkritik für die beste deutsche experimentelle
Produktion des Jahres ausgezeichnet. Es folgt Ken Koblands
The Shanghaied Text,
ein Film, der durch seine poetische Montage aus Archivmaterialien und
eigenen Aufnahmen besticht.
In den beiden Filmen Pensão Globo von Matthias Müller
und Letters from Home von Mike Hoolboom wird das Thema Aids und Tod auf
unterschiedliche Weise thematisiert. Während Müllers Film einem
inszenierten Erzählstrang folgt, der sich aus einem (fiktiven?) Tagebuch
ableitet, kreiert Hoolboom eine Collage aus eigenem und gefundenem Material,
der oft dokumentarische Züge anhaften.
Mit zwei Satiren auf die Wohlstandsgesellschaft klingt das Filmprogramm
aus. Alan Smith verwendet in seinem Film The Itch, verschiedene
Animations- und Tricktechniken um Werbematerialien mit Realszenen zu verbinden.
In NY - the lost Civilization konstruiert Dylan McNeil unter Verwendung
größtenteils fremden Materials eine utopische Ansicht eines New
York, das im wahrsten Sinne abgehoben von dem Rest der Welt, mit den
erstaunlichsten Auswirkungen zivilisatorischer Errungenschaften zu kämpfen
hat.
Auch das Videoprogramm startet mit einem Preisträgerbeitrag.
Busby von Anna Henckel-Donnersmarck erhielt eine lobende Erwähnung
der AG der Filmjournalisten auf dem diesjährigen EMAF. Ihre Arbeit ist
eine Hommage an die opulenten Filmchoreographien Busby Berkeleys. Danach
führt uns Ulla Väätäinen in
Dark Blotches, Women and Beetles
auf eine mythische Reise in die dunklen Wälder des
Nordens.
In eine ganz andere Richtung geht Jannicke Låker in No.17.
Hier wird eine mit subjektiver Kamera aufgenommene intime Performance im
privaten Raum präsentiert. Die Japanerin Wada Junko beschreibt in
Athletics # 3 die Problematik einer unerfüllten Beziehung.
Bounderies of Mankind ist der dritte Teil einer Trilogie mit dem
Titel Supercollider in der Paul Swadel mit seinem Bruder Marc die
menschlichen Grenzen und Grenzfälle in einer zunehmend computerisierten
Welt thematisiert. 9 1/2 Finger von Axel Gaube, Valeria Valenzuela u.a.
ist im wahrsten Sinne eine Fingerübung, die einen ungewohnten Blick auf
alltägliche Tätigkeiten wirft.
Luis Valdovino, Greg Durbin und Dan Boord gehen in
A Refutation of Time
auf einen Streifzug durch den amerikanischen Kontinent, der als
virtuelle Reise beginnt und als philosophisches Traktat über den
Cyberspace endet.
Making out in Japan von Meret Merewether vermittelt dem Betrachter
auf unterhaltsame Weise die japanische Sprache der Intimität in fünf
Schritten, filtriert aus japanischer Fernsehwirklichkeit und Ikonographie.
Einen Schritt weiter in Richtung Hardcore geht Susan Hinnum, die in ihrem Video
Womans got to have it die Suche nach ihrer eigenen künstlerischen
Ausdrucksmöglichkeit beschreibt.
In Two Minutes of Experimentation und Entertainment läßt
sich Paul Granjon auf die Tücke des Objektes ein. Pablo Rodriguez
Jáureguí entführt uns in die Welt des berühmten
Captain Cardozo, der in seinen neuen Abenteuern wieder einmal die Welt
rettet.
Zum Abschluß des Programms halten Bart Dijkman und sein Hund in
Freezing eine kurze, stille Zwiesprache.
Ralf Sausmikat